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«Mehr kann ich nicht geben»

Lino Wildhaber (14) leidet an Cystischer Fibrose (CF), einer unheilbaren Erbkrankheit, bei der Lungen und Verdauungstrakt verschleimt sind. Seit seiner Geburt inhaliert Lino mehrmals täglich und macht Atemphysiotherapie. Das vielversprechende Medikament wirkte, rief aber schwerste Nebenwirkungen hervor.

«Mit drei Monaten wurde bei Lino Cystische Fibrose diagnostiziert», erzählt Mutter Nadia Wildhaber. Dies ist eine inzwischen für viele Betroffene behandelbare, aber unheilbare Krankheit. Allerdings nur, wenn sie die Medikamente vertragen. «Bei Lino hat hat das Medikament zwar gewirkt, doch ging es ihm damit rasch schlechter. «Lino reagierte nach kurzer Zeit mit Fieber und Husten. Er erbrach, machte am ganzen Körper einen Hautausschlag und bekamt Schwellungen.» Nach täglichem Inhalieren, Atemtherapie, Physiotherapie, unzähligen Infekten, einer intravenösen Antibiotika- Kur nach der anderen und unzähligen Spitalaufenthalten sagte Lino eines Tages: Mami, ich kann nicht noch mehr von mir geben. Ich mag nicht mehr! Dann muss ich eben sterben.» Da war er elf Jahre alt.

Lungenfunktion von 58 Prozent

Nadia Wildhaber hat mit Lino Monate im Spital verbracht, während ihr Mann mit Linos älteren Geschwistern den Alltag zuhause organisiert hat. Keine einfache Situation. Im Kinderspital war man ratlos: Niemand wusste, wie Linos Beschwerden gelindert werden könnten. Nach mehreren Infekten und zwei intravenösen Antibiotika-Kuren kurz nacheinander war seine Lunge noch schwerer geschädigt als zuvor. Linos Lungenfunktion betrug nur noch 58 Prozent.

Tage zwischen Hoffnung und Verzweiflung

Als die Behandlung mit einem neuen vielversprechenden Medikament endlich beginnen konnte, traten leider schweren Nebenwirkungen auf. Lino erzählt: «Einmal kam meine Physiotherapeutin ins Zimmer auf der Intensivstation, schaute mich an und sagte: ‹Entschuldigung, ich habe mich geirrt›. Sie hat mich nicht erkannt, weil mein Gesicht so angeschwollen war.» Es folgten unzählige Tests und Tage zwischen Hoffungj und Verzweiflung. Naida Wildhaber sagt zur Behandlung mit dem neuen Medikament: «Lino hat wie Beton gehustet. Säckchenweis fürchterlicher Schleim!» Sie habe gedacht: ‹Das wirkt! Der Schleim löst sich!› Ein gutes Zeichen. Auch für Lino «Ich habe gemerkt, das wäre das Medikament, das mit wirklich helfen könnte. Und doch ging es nicht, weil ich es nicht vertragen habe und so schlimme Nebenwirkungen hatte!»Die Enttäuschung war riesig.

Ein halbes Jahr im Dauerstress

Darauf begann das Ärzteteam des Universitäts-Kinderspital Zürich, ihn kleinste Dosen, Mikromilligramme, des Medikaments zu verabreichen. Lino erzählt: «Sie haben die Dosis ganz, ganz langsam erhöht.» Er habe gemerkt, wie es zu wirken begann, kämpfte aber gleichzeitig mit Fieber und Erbrechen. «Ich hatte keine Angst, das neue Medikament zu nehmen. Ich musste es versuchen, denn schlechter konnte es mir nicht mehr gehen», erklärt er. «Ich habe alles probiert, was möglich war, auch wenn ich dadurch wieder Fieber kriegte und es mir schlecht ging!» Mutter Nadia sagt über diese Zeit: «Wir waren ein halbes Jahr im Dauerstress; wir hatten ständig Angst vor der nächsten allerigschen Reaktion.» Aber eines Tages hat Lino diesen Kampf doch gewonnen, heute vertragt er das Medikament!

Lernen im Spital

Durch die vielen Spitalaufenthalte fehlte Lino oft in der Schule. «Ich war von der zweiten bis in die fünfte Klasse oft wochenlang im Spital», erzählt er. «Ging es mir einigermassen gut, konnte ich dank den Spital-Lehrkräften meinen Schulstoff durchgehen. Ich hatte es immer gut mit allen», sagt er und strahlt. Lino konnte auch auf verständnisvolle Klassenlehrerinnen zählen. Als er im Winter nur Skifahren und das gute Bergklima im Kopf hatte anstatt zu Lernen, sagte sie zu ihm: «Das Wichtigste ist, dass du gesund wirst!» und liess ihm im Unterricht auch immer wieder die Möglichkeit, sich auszuruhen und sich zurückzuziehen. Auch seine Schulgspänli und Freunde haben stets zu ihm gehalten.

Ein Sommerfest zum Dank

Für Mutter Nadia ist klar, dass Linos unheilbare Erbkrankheit die ganze Familie oft auf harte Proben gestellt hat, die sie nur dank den hilfsbereiten Menschen in ihrem Umfeld gemeistert haben: verständnisvolle Lehrpersonen, Arbeitgeber, Freunde und Bekannte, hilfsbereite Grosseltern, Lehrpersonen und Nachbarn. «Dieses Netz ist ein Geschenk!», schwärmt sie. Denn als Eltern mussten sie und ihr Mann oft die Arbeitstage umstellen, und zwar wochenlang. Auch Ferien mussten immer wieder umorganisiert werden. Lino sagt über seine Geschwister: «Sie haben mich immer mega unterstützt!» Im Sommer 2022 hat die Familie Wildhaber deshalb aus Dank- barkeit ein grosses Sommerfest für alle veranstaltet.

Lino hat eine Zukunft

«Wir haben viel durch die Krankheit gelernt!», sagt Mutter Nadia. Mit Blick auf das Trampolin im Garten erzählt sie: «Früher ist Lino oft in der Mitte gelegen und hat sich von anderen Kindern durchschütteln lassen, damit sich der Schleim in seiner Lunge löst. Mit dem neuen Medikament haben wir einen Riesen-Ruck- sack abgelegt. Heute hat Lino eine Zukunft!» Was rät Lino anderen Kindern mit CF? «Es ist wie es ist. Man sollte nicht nur das Negative sehen. Ich war zwar oft im Spital, aber hatte es immer gut. Und ich habe dadurch viele liebe Menschen kennengelernt!»

Lino beim Inhalieren
Lino beim Inhalieren | © Ruben Ung Fotografie
Lino mit seiner Mutter und seinem Vater
Lino mit seiner Mutter und seinem Vater | © Ruben Ung Fotografie
Heute verträgt Lino das Medikament.
Heute verträgt Lino das Medikament. | © Ruben Ung Fotografie
Lion auf dem Trampolin
Lino auf dem Trampolin | © Ruben Ung Fotografie
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