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«Unser Baby hat Cystische Fibrose»

«Ich habe den Telefonanruf des Kinderarztes noch heute im Ohr», sagt Priska Lutz (38), Mutter des halbjährigen Yannik.

Yannik leidet seit seiner Geburt an Cystischer Fibrose (CF). Seine Eltern wussten beide nicht, dass sie Trägerin und Träger des Gendefekts sind. Ab und zu plagen die Mutter noch Schuldgefühle. Doch das Leben geht weiter und die Patchwork-Familie hat sich zum unschlagbaren Team entwickelt.

Der kleine Yannik strahlt seine Mutter an, bis er ins Bettchen muss. Zeit für seinen Mittagsschlaf. «Das ist seine Superkraft», sagt Priska Lutz: «Er kann gut einschlafen!» Dann beginnt sie zu erzählen: «Die Schwangerschaft war eine schöne Zeit, aber die Geburt forderte mir einiges ab. Als er mir in die Arme gelegt wurde, dachte ich: ‹Oh, er atmet und es ist alles dran! Alles ist gut!› Darauf folgte zwei Wochen später mit der CF-Diagnose der Schock. Das war krass. Als der Kinderarzt vom Universitäts-Kinderspital Zürich anrief und eine Nachricht hinterliess, dachte ich noch: ‹Die wollen uns bestimmt für eine Studie rekrutieren.› Aber als er am Telefon besorgt mitteilte, er hätte eine Auffälligkeit in den Tests festgestellt, dämmerte mir, dass doch nicht alles in Ordnung sein könnte. Er fragte auch, ob ich je etwas von Cystischer Fibrose gehört habe.»

Bevor sie mit Yannik zum Besprechungstermin im Kinderspital aufgebrochen ist, googelte Priska Lutz noch «Schweisstest-Werte bei CF». «Als der Arzt die Werte begutachtete und ich ihm dabei über die Schulter sah, wusste ich sofort Bescheid. Das war der schlimmste Moment für mich!», sagt sie. Der zweitschlimmste Moment war, als sie im Gesicht ihres Mannes sah, dass er es nun auch realisierte. «Serge ist buchstäblich aus allen Wolken gefallen!»

Ein Schicksalsschlag, ein eingeschworenes Team

Nach drei Tagen Tränen, Verzweiflung und unzähligen langen Gesprächen mit Familie, Freunden und Ärzten, beschloss die Familie Lutz, von nun an hoffnungsvoll nach vorne zu schauen. Und die Ehepartner versprachen einander, sich trotz allem auch als Paar nicht aus den Augen zu verlieren. «Sehr geholfen hat mir auch die unbeschwerte Art, wie Serges Tochter aus erster Ehe mit der Situation umgegangen ist», erzählt Priska Lutz. «Sophie sagte: ‹Schaut ihn euch doch an, ihm geht es gut!› Das hat uns wachgerüttelt und wir sind noch am selben Abend zusammen essen gegangen. Das Lachen, die Leichtigkeit hat uns allen gutgetan!»

Ab und zu überkommen Priska Lutz dennoch starke Schuldgefühle Yannik gegenüber, dem sie als Eltern diesen Gendefekt, diese chronische Erkrankung, vererbt haben. «Yannik kann am allerwenigsten etwas dafür! Er hat mir so leidgetan, auch weil er noch so klein ist! Aber Serge sagte nur: Alle Eltern machen sich Sorgen um ihre Kinder, egal ob krank oder nicht.» Das habe sie beruhigt. Sowieso seien sie als Patchwork-Familie ein gutes Team, das an einem Strick ziehe: «Wir wussten, es gibt nur eine Richtung: vorwärts!»

Ein lebenswertes Leben trotz täglicher Therapie

Seit Yannik zwei Wochen ist, muss er morgens und abends wegen des zähflüssigen Schleims in der Lunge 10 Minuten lang inhalieren – mit einem besonders kleinen Mundstück für Babys. Die ersten fünf Minuten gehe dies jeweils gut, berichtet seine Mutter, aber danach müssten sie und ihr Mann den Buben unterhalten, damit er weiter macht. Auch die Verdauungsmedikamente – kleine Enzym-Kügelchen – zu verabreichen, sei nicht immer einfach. «Ich stille ja noch und wenn Yannik unwillentlich an das Löffelchen stösst, sind die winzigen Kügelchen plötzlich überall im Bett. Das bringt mich trotz der ernsten Lage immer wieder zum Lachen!» Ausserdem muss Yannik einmal pro Woche in die Atemphysiotherapie und alle zwei Monate ins Kinderspital zur Kontrolle.

«Glücklicherweise entwickelt er sich normal», berichtet die stolze Mutter. «Das Gewicht stimmt und dank den Verdauungsenzymen hat sich auch sein Stuhlgang verbessert.» Sie komme inzwischen mit seiner Diagnose gut klar und finde, mit dem Inhalieren, den Enzymen und der Atemphysiotherapie lasse es sich leben. «Es ist ein lebenswertes Leben. Ich hoffe, Yannik sieht das später auch so!», sagt Priska Lutz nachdrücklich. Sie habe bei der Diagnose nicht gewusst, was als Familie auf sie zukomme und wie häufig etwa die Physio- und Arzttermine stattfinden würden. «Nun weiss ich es, und es ist viel, aber machbar.» Trotzdem versetzt es ihr manchmal einen Stich, wenn sie andere Mütter mit einem gesunden Baby sieht. Es schmerzt sie, dass ihr diese unbeschwerte Anfangszeit mit ihrem Baby genommen wurde. «Als ich meinem Umfeld von Yanniks Schicksal erzählt habe, wurden plötzlich viele Lebensgeschichten an mich herangetragen. Da realisierte ich, dass ich dadurch vielleicht sensibler und empfänglicher für andere geworden bin und viele Menschen mit etwas zu kämpfen haben. – Jetzt geniesse ich die Zeit mit Yannik mega!»

Cystische Fibrose Schweiz ist für uns da

Zwei Woche nach der Diagnose hat sich Priska Lutz bei der Regionalgruppe Zürich gemeldet. «Sie haben sehr einfühlsam zurückgeschrieben. Zuerst ist mein Mann der Patientenorganisation CFS beigetreten, vor kurzem dann auch ich. Ich finde es wertvoll, sich in der Gruppe über praktische, alltägliche Dinge auszutauschen zu können – das ist das Einzige, wobei Ärzte nicht helfen können. Nicht, dass mich jemand falsch versteht: Wir sind im Kinderspital sehr gut aufgehoben und wurden vom ersten Tag an von einem grossartigen Team aus Ärzten, Sozialarbeiterin, Pflegefachpersonen und Ernährungsberaterin betreut. Trotzdem brauche ich als Mutter von Yannik bei der täglichen Therapie manchmal Zuspruch und konkrete Tipps. Auch die Broschüre von CFS über die Babyjahre mit CF habe ich von A bis Z durchgelesen.

Mein Wunsch für Yannik ist eine gute Lebensqualität und dass er alles machen kann, was er möchte: In die Schule gehen, Freunde finden, eine Beziehung haben... Natürlich hoffe ich auch auf die Forschung. Vielleicht kann er in eineinhalb Jahren, wenn er zwei ist, schon vom Medikament Trikafta profitieren!»

Yannik muss täglich inhalieren
Yannik muss täglich inhalieren | © Ruben Ung Fotografie
Yannik mit seiner Schwester
Yannik mit seiner Schwester | © Ruben Ung Fotografie
Die Familie Lutz
Die Familie Lutz | © Ruben Ung Fotografie
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Unerlässlich: Verdauungsenzyme für CF-Betroffene ab Babyalter

Cystische Fibrose ist eine vererbte Stoffwechselerkrankung. Dabei bildet der Körper zähflüssigen Schleim, der vor allem die Atemwege und Verdauungsorgane beeinträchtigt. Die meisten CF-Betroffenen leiden deshalb an mangelnder Gewichtszunahme oder sogar an starkem Untergewicht. Damit die Nährstoffe aus dem Essen vom Darm aufgenommen werden können, benötigen bereits Babys Verdauungsmedikamente, auch wenn sie gestillt werden. Diese lebenswichtigen Enzyme werden in Form von Kügelchen («Micropellets») oder Kapseln, für die ältere Betroffenen ab Kindesalter, verabreicht.

Auf die Enzyme-Kügelchen darf Yannik nicht verzichten
Auf die Enzyme-Kügelchen darf Yannik nicht verzichten | © Ruben Ung Fotografie